BBA-Mitglied Julian von Hassell im Interview

Kiel, 27.05.2020

In Schleswig-Holstein hat sich in den vergangenen Jahren eine sehr lebendige Gründerszene etabliert – auch dank vieler verschiedener Fördermöglichkeiten. Für die Finanzierung in der Frühphase ist es für die Gründerinnen und Gründer oftmals noch schwierig, Zugang zu Investorinnen und Investoren zu finden. Im echten Norden hat sich deshalb im Juni 2018 der Baltic Business Angels e.V. gegründet.

Einer, der sich ebenfalls bei den Baltic Business Angels engagiert, ist Julian von Hassell. Der erfahrene Business Angel verfügt über beste Kontakte in der Gründerszene weit über die Landesgrenzen hinaus und kennt sich aus mit Unternehmensgründung und erfolgreicher Unternehmensführung.

Wir hatten Julian von Hassell zu Gast im Interview, sagen Danke und wünschen nun viel Spaß beim Lesen!

WTSH-Online Redaktion: Was ist eigentlich das besondere an dem Modell der Business Angels? Was leisten die Angels, was andere Investoren nicht bieten?

Von Hassell: Business Angels investieren in der Regel sehr früh in StartUps – oft, bevor die Gründerinnen und Gründer ihre Startups de jure als Unternehmen ins Leben gerufen haben. Damit unterscheiden sie sich von institutionellen Venture Capital – Gesellschaften, für die in fast allen Fällen eine bereits gegründete Kapitalgesellschaft die Voraussetzung für ein Invest ist. Business Angels, meistens Privatiers oder kleine Kapitalgesellschaften, sind in der Regel Unternehmerinnen und Unternehmer, die Spaß daran haben, ihre  eigenen Gründungs- und Managementerfahrungen weiterzugeben. Sie sind damit meistens nicht ausschließlich renditegetrieben. Da sie fast immer ihr eigenes Geld investieren, sind sie allerdings auch nicht so risikobereit wie VC – Gesellschaften, deren Geschäftsmodell immer viele Totalverluste zu Gunsten weniger Megaerfolge einpreist.

WTSH-Online Redaktion: Was meinen Sie genau mit den Gründungs- und Managementerfahrungen, die Sie weitergeben wollen?

Von Hassell: Startups können von dem Mentoring und dem Kontaktnetz erfolgreicher Unternehmerinnen und Unternehmer sehr profitieren. Ich persönlich glaube allerdings, dass Gründerinnen und Gründer noch mehr von den früheren Misserfolgen ihrer Mentoren lernen können, die es schließlich in jeder Unternehmerbiographie gibt und die souveräne Business Angels gerne zuzugeben bereit sind. Business Angels finanzieren ein breites Spektrum an innovativen Unternehmensgründungen und ermöglichen damit auch eine große Branchenvielfalt und sind insofern auch für das Land ein volkswirtschaftlicher Gewinn.

WTSH-Online Redaktion: Haben Sie als erfahrener Investor einen Tipp, wie man erfolgsversprechende Investments erkennt?

Von Hassell: Als Frühphasen-Investor habe ich gar keine andere Wahl, als nach den harten und weichen Qualifikationen der Gründerinnen und Gründer zu gehen. Es gibt bei ihnen ja, anders als bei etablierten Unternehmen, noch keinen „Track Record“, auf den sie verweisen können. Was für mich am Ende am meisten zählt, ist der Biss, der unbedingte Hunger nach Erfolg, die Bereitschaft und Fähigkeit Durststrecken zu überstehen, der Verzicht auf Selbstmitleid, wenn es mal nicht so toll läuft, Realismus bei der Beurteilung der Marktchancen, theoretische und, mehr noch, praktische und soziale Intelligenz. Neben dem Optimismus und der Energie, die natürlich fast alle Startups besitzen, ist mir unternehmerisches Denken und Handeln sehr wichtig. Von sich und seiner Idee als Gründerin oder Gründer überzeugt zu sein ist das eine, diese Überzeugung gegen Kritik auf unwegsamem Gelände intelligent und flexibel verteidigen zu können, ist etwas ganz anderes.

WTSH-Online Redaktion: Und woran erkennen Sie, ob die Gründerin oder der Gründer über diese Eigenschaften verfügen?

Von Hassell: Gute Frage. Um all dies zu erkennen, benötigen Sie eben eigene Gründungs- und/oder Managementerfahrung. Hier sind wir Business Angels gegenüber den Analysten der VC-Gesellschaften, die meist frisch von der Hochschule kommen und Business-Pläne im Akkord auf der Suche nach verborgenen „Trüffeln“ aussortieren sollen, aber noch keine eigene Berufserfahrung vorweisen können, vielleicht im Vorteil. Einen guten Businessplan schreiben zu können ist erlernbares Handwerk, eine Neugründung zum Erfolg zu führen ist Kunst. Ob diese Fähigkeiten in ausreichendem Umfang vorhanden sind, erfahren Sie als Business Angel am besten, indem Sie mit den Gründerinnen und Gründern kritisch diskutieren und sie im Dialog mit Kollegen, Mitgründern, Mitarbeitern, Wettbewerbern usw. erleben.

WTSH-Online Redaktion: Die Anforderungen sind ja recht hoch, denen junge Gründerinnen und Gründer gerecht werden müssen. Manche können das alles vielleicht noch gar nicht leisten. Wie können die Business Angels da helfen?

Von Hassell: Mir liegt vor allem daran, dass Gründerinnen und Gründer wirklich wissen, auf was sie sich einlassen. Das Gründer-Dasein ist wirklich toll, doch es spielt nicht auf dem „Ponyhof“. Business Angels verfügen im Idealfall über Gründungs- und Managementerfahrung. Wenn sie selbst einmal Gründer waren, wie das bei mir der Fall ist, dann ist die Erfahrung der Ups und ganz besonders auch der Downs eine unschätzbare Ressource. In meinem persönlichen Fall ist es sogar so, dass ich außerdem Erfahrung als Vorstand eines kleinen Inkubators habe, als Berater und schließlich habe ich in 2015 ein von mir mitgegründetes Unternehmen in den General Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse geführt. So wissen Angels wie ich also, wie unterschiedliche Stakeholder auf ein StartUp blicken und welche Phasen ein Startup über die Jahre durchlebt. Und das ist für Gründer, die Kapital suchen, Fördermittel beantragen wollen, Produkte und Dienstleistungen entwickeln müssen, schwierige Entscheidungen treffen sollen, Mitarbeiter einstellen oder entlassen müssen usw tatsächlich sehr wertvoll.

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Vorstandsmitglied und Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein​

Claus Ruhe Madsen ist seit dem 29. Juni 2022 Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus. Er wurde am 27. August 1972 in Kopenhagen geboren, ist verheiratet und hat eine Tochter.

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Commercial Officer

Norma ist nach ihrem dualen Studium als Vertriebsingenieurin für Diesellokomotiven bei der Krupp MaK gestartet. Die Faszination für die Themen Finanzen, Vertrieb und Personal hat sie über 30 Jahre als Unternehmerin mit einem traditionellen Familienunternehmen gelebt.

Als Mentorin unterstützt sie u.a. junge Gründerinnen bei We Startup S.-H.. Ihre Erfahrungen als leidenschaftliche Unternehmerin gibt sie als Sparringspartnerin weiter

Für ihre Aufgabe als Commercial Officer hat sie sich Ziele gesetzt: Vielfalt fördern – Bekanntheitsgrad der BBA steigern – Vernetzung der Mitglieder untereinander stärken – Attraktivität für StartUps und Förderer erhöhen. 

Claas Nieraad

2. Vorsitzender & Screening Officer,
Next Logistics Accelerator GmbH

Claas begann seine Karriere in der Old Economy bei „AEG und Electrolux Group“, wo er seine Leidenschaft für aufstrebende Industrien entdeckte. Das ist es, was ihn bis heute antreibt. Nachdem er bei „American Heritage Management Corp.“ an der Wall Street war und in den 1990er Jahren an den ersten internetbasierten Börsengängen teilnahm, wurde seine Leidenschaft für Technik und disruptive Technologien immer stärker. Er ist Mitgründer von „New Commercial Room“, einem VC-Unternehmen mit Sitz in Hamburg, mit dem er ein Portfolio von High-Tech-Wachstumsunternehmen verwaltet, das von medizinischen Geräten über Medien bis hin zu SaaS, IT und Cybersecurity reicht. Als Angel Investor investierte er sowohl privat in Unternehmen als auch mit dem „btov Investor-Network“. Er betreut aktiv zahlreiche deutsche StartUps, Accelerator-Programme und ist Scout im Norden für den „High-Tech Gründerfonds“ (HTGF). Dadurch hat er Zugang zu erstklassigem internationalen Deal Flow und Investoren. Darüber hinaus hat Claas mehrere Aufsichtsratspositionen inne und ist Live-Musiker mit der „Soul Lounge Connection“.

Julian von Hassell

1. Vorsitzender

Julian beschäftigt sich als Serial Entrepreneur, Investor und Business Angel seit 2003 mit der deutschen StartUp- und Venture Capital-Szene. Dabei konzentriert er sich darauf, ausgewählten frühphasigen StartUps und ihren Gründerinnen und Gründern dabei zu helfen, Ambitionen in die Tat umzusetzen. Investiert wird meist in frühphasige B2B-Technologie-unternehmen mit erstem Track Record. Julian‘s Fokus liegt zurzeit auf Industrial IoT, Data Analytics, b2b-Plattform-Tools, e-Health und 3D. Er liebt SpinOffs, die aus Forschungsstiftungen und -organisationen oder technischen Hochschulen stammen, ist aber auch für andere Möglichkeiten offen. Mehr zu Julian findet man am besten auf seiner Webseite und hier im Interview.